Wohin geht die Reise?
Wann sind wir endlich da?“, tönt es aus Kindermund von der Rückbank des Autos. „Ich hab Hunger! Ich muss mal raus!“ Auf Dauer zerrt das an den Nerven, vor allem bei dem, der am Steuer sitzt. Im Kern wiederholt sich diese Situation auch im Erwachsenenleben immer wieder, gerade jetzt. Wir werden ungeduldig in dieser Krise mit all ihren Beschränkungen, die wir ertragen müssen. Wir wollen raus! Viele Promis machen Urlaub im Süden oder wandern aus – Das Emirat Dubai scheint ein beliebtes Ziel zu sein.
Wir aber hocken immer noch zu Hause. Mancher plant daher kühn und trotzig seinen Sommerurlaub.
Wann sind wir endlich da? Raus aus den ganzen Problemen und Sorgen, die sich gerade vor uns auftürmen. Angekommen, aber wo? In unserem alten Leben etwa?
Im 2. Buch Mose bricht Israel aus Ägypten auf. Es wirft seine Ketten weg und entgeht knapp den Verfolgern des Pharao am Schilfmeer. Für Israel gibt es kein zurück. Und trotzdem jammern sie, bei jeder Schwierigkeit. „Was war das schön in Ägypten! Da hatten wir keinen Hunger! Und das Land, von dem Mose immer wieder redet, wann wird es endlich da sein?“ Diese Frage richtet sich auch an Gott, der ja Mose die Idee eingeflüstert hatte, das Land zu verlassen.
Es gibt kein zurück. Das gibt es nie. Wir bekommen unser altes Leben nicht wieder, das Leben vor Corona. Das betrifft uns alle. Die Pandemie beschleunigt dabei die Veränderung, die ohnehin schon auf dem Weg ist. Wir müssen „alte Zöpfe abschneiden“, mehr zusammenarbeiten, gemeinsam Lösungen entwickeln. Kirchturmdenken hat ausgespielt, in Gesellschaft und Politik. Kirchengemeinden rücken zusammen, finden gemeinsame Projekte. Aber wann sind wir endlich da? Die bewahrenden Kräfte sind stark, die gar nichts ändern wollen. Was haben die Israelit*innen gemotzt, wenn Mose und Aron mal wieder schuld sein sollten am allgemeinen Unglück. Was wird heute wieder gemotzt und gemeckert, auch zu Recht geklagt! Grund dafür gibt es. Im Wald der vielen Regeln sind manche wirklich nutzlos. Firmen werden finanzielle Hilfen versprochen, sie werden aber nicht ausgezahlt. Mancher steht vor einer Insolvenz. Und viele haben einfach Angst sich zu infizieren. Wie eine Schnecke kriecht die Impfkampagne durch unser Land; und dabei wäre doch hier Eile geboten! Aber unser altes Leben kommt trotzdem nicht zurück. Da gibt es keinen Schalter, der einfach nur umzulegen ist, und wir sind wieder im Jahr 2019. Weil das nie so war. Weil der Weg von Israel durch die Wüste eben nicht zurück zu den Pyramiden, sondern in ein neues, unbekanntes Land führte. Aber erst einmal müssen wir gehen. Und lernen, uns die Frage auch zu verkneifen: Wann sind wir endlich da?
Der junge Fußballer Leroy Sané sagte in einem Interview im SPIEGEL auf die Frage, was er nach einem durchwachsenen oder schlechten Spiel macht: „Ich denke an die Situationen, die gut gelaufen sind, um mir Selbstvertrauen zu holen. Und dann nehme ich den Misserfolg und wandle ihn im Kopf in einen Ansporn um. “ So eine Mentalität brauchen wir, unsere eigenen Misserfolge in einen Ansporn umzuwandeln. Und dabei Gott zu vertrauen, dass er uns führt, wie er auch Israel durch die Wüste geführt hat.
Andreas Pöhlmann