„Fürchtet euch nicht!“
So beginnt der Engel auf dem Feld bei Bethlehem, der im Namen seines himmlischen Chores zu den Hirten auf dem Feld spricht, die sich tatsächlich erschreckt haben. Diese Szene rufen wir auf, stellen vor Augen denen, die etwa zum Krippenspiel am Heiligen Abend in die Kirche kommen.
Es gibt viel Grund für uns, sich zu fürchten, nicht nur vor Engeln, die plötzlich singen in der stockdusteren Nacht. Während ich diesen Text schreibe, tobt der Krieg im Gazastreifen. Viele Familien bangen um nahe Angehörige, die von Terrorist*innen dorthin entführt wurden. Der blutige Krieg von Russland in der Ukraine geht in den zweiten Winter. „Fürchtet euch nicht!“: Was sagt der Engel da, zu Menschen, die sich vor Bomben und Drohnen in Bunker flüchten?
Er erzählt eine Geschichte. Geboren wird ein kleines Kind in der Heiligen Nacht, in Bethlehem, dem heutigen Westjordanland. Seine Geburt verläuft gut. Von Komplikationen lesen wir nichts. So werden in jedem Jahr, an jedem Tag Kinder zur Welt gebracht, auch in der Heiligen Nacht. Dass so eine Geburt, gerade auch die des ersten Kindes, für Mutter und Kind auch Kampf bedeutet und Schmerz, davon steht hier nichts bei Lukas in Kapitel 2. Auch nicht von den Schwierigkeiten, die auftreten und das ganze Leben des Kindes und seiner Familie prägen können.
Inkognito kommt hier Gott zur Welt, nur bemerkt von kleinen Hirten vom benachbarten Feld, die dem Ruf der Engel folgen, und Sterndeutern, die aus dem Osten der Bahn eines Kometen folgen. Das ist ein stilles Ereignis. Und so still und bescheiden kann auch unser Einsatz für den Frieden sein. „Fürchte Dich nicht! Mach Dich auf den Weg zum Kind!“ Das tun viele Menschen am Heiligen Abend. Auch, weil sie sich Frieden wünschen in ihren Familien, aber auch in der Welt. Und weil sie wissen, dass dieser Frieden bei jedem von uns beginnt. Wir haben es in der Hand, aufmerksam, vorsichtig, manchmal auch zärtlich unseren Nächsten zu begegnen. Wir können für Frieden beten, immer wieder, mit Kerzen und mit Liedern, damit Gott für Frieden sorgt, endlich, zu seiner Zeit, manchmal ganz überraschend. Schon oft waren die Menschen in Israel und Palästina dem Frieden viel näher als jetzt. Warum sollte das nicht künftig wieder möglich sein?
Wir wissen alle, auch aus der Erfahrung unserer deutschen Geschichte, dass Krieg Seelen zerstört und Familien und Freunde trennt; dass Krieg den Hass nährt und gute Bedingungen zu leben zerstört. Astronomisch sind die Summen, die noch während des Krieges in der Ukraine für den Wiederaufbau des Landes berechnet werden. Wir ahnen auch, dass zum Frieden auch eine Wehrhaftigkeit unseres Landes gehört und wir in den letzten Jahren unsere Bundeswehr kaputtgespart und die Soldat*innen für ihre Auslandseinsätze nicht genug geachtet haben. Ziel bleibt aber für uns Christ*innen weltweit der Frieden. Die Geburt von Jesus, dem göttlichen Kind, in dieser stillen Nacht zeugt davon, dass Gott uns das nach wie vor zutraut, für Frieden einzustehen in dieser Welt.
Ihr Andreas Pöhlmann