"Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe" (1. Korinther 16,14)
„Manchmal heißt Liebe, an sich zu denken.“ Mir fiel die Aufschrift des Plakates in die Augen und ich stutzte erst einmal. Normalerweise ist Liebe doch immer auf andere ausgerichtet, war mein erster Gedanke. Dann erkannte ich das Design der Diakonie und auch den entsprechenden Namenszug in der Ecke. Unter dem Slogan fand sich das Moto #AUSLIEBE: Dieses Plakat gehörte zur Kampagne „175 Jahre Diakonie“, die im zu Ende gehenden Jahr 2023 durchgeführt wurde. Das Motto „aus Liebe“ erinnert an eine Rede, die der Theologe Johann Hinrich Wichern am 22. September 1848 auf dem Kirchentag in Wittenberg gehalten hat.
Dort appelliert er an die Kirche, ein Netzwerk der „rettenden Liebe“ zu knüpfen, um Bedürftigen zu helfen. Daraus hat sich die Diakonie bis heute zu einem großen kirchlichen Sozialverband entwickelt, der in vielen unterschiedlichen Bereichen aktiv ist. Die Plakate der Kampagne zeigen viele dieser Bereiche: Menschen, die anderen Gutes tun, die zuhören und Hand anlegen – Nächstenliebe! Auf jenem Plakat aber sind zwei Frauen zu sehen, die sich mit einem Kaffeebecher gegenübersitzen.
Manchmal müssen wir auch der Selbstfürsorge Raum geben, Leib und Seele Zeit geben, aufzutanken. Ausruhen von unseren Aktivitäten. Abstand gewinnen vom Dauerstress immer neuer Krisennachrichten.
Globale Klimakrise, Krieg Russlands gegen die Ukraine, Krieg im Nahen Osten, ausgelöst durch den Terror der Hamas – alles hochexplosiv. Können alle diese Probleme noch gelöst werden?
Es scheint sich überall allein die Rücksichtslosigkeit und Schlagkraft durchzusetzen. Aber für uns soll die Liebe der Maßstab sein, der in allen Bereichen des Lebens gilt? Hat die Liebe denn noch eine Chance in dieser Welt?
Das hängt auch davon ab, ob wir selbst auf die Liebe setzen. Gott hat das gewagt. Er hat der Liebe alles zugetraut. Sein Sohn Jesus Christus wurde nicht in einer sicheren Bubble geboren und auch nicht auf einer Sänfte durchs Leben getragen. Sondern in der Armut eines Stalles tat er seinen ersten Atemzug. Auf Augenhöhe begegnete er den Menschen, half ihnen in Not und feierte mit ihnen das Leben. Mutig positionierte er sich zu gesellschaftlichen, religiösen und politischen Fragen. Seinen letzten Atemzug tat er am Kreuz. Vorher hatte er noch das Wort der Versöhnung über die Welt ausgerufen: „Vater, vergib ihnen.“ Auch den Feinden. Mehr Liebe geht nicht.
Wenn wir uns anderen liebevoll zuwenden und die Bereitschaft zur Versöhnung in uns tragen, feiern wir seine Auferstehung. Es liegt auch an uns, ob wir der Angst oder der Zuversicht, dem Hass oder der Liebe in unseren Gedanken Raum geben. Weihnachten ist die Einladung Gottes an uns, auf seine Liebe zu vertrauen und aus ihr heraus Lebenskraft zu gewinnen. Man kann das lernen. Manchmal ist ein gemeinsamer Becher (fair gehandelter) Kaffee ein guter Anfang!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein friedliches und liebevolles neues Jahr 2024,
Ihr Regionalbischof Friedrich Selter