Die Rettung des Kindes
Weihnachtslieder gibt es viele, auch in der Kirche, ob im Konzert oder im Gottesdienst. Von beidem können wir einiges anbieten, auch in dieser Advents- und Weihnachtszeit. Mir gefällt besonders das Lied: „Maria durch ein Dornwald ging.“ Und das, obwohl wir Protestanten oft mit Maria, der Mutter von Jesus, nicht so viel anfangen können. Keines der Marienlieder hat es in unser Evangelisches Gesangbuch geschafft, auch dieses nicht. Die römisch-katholische Verehrung der Gottesmutter bleibt eben vielen von uns fremd. Aber Maria ist doch auch für uns die Mutter von Jesus, die ihn unter schwierigen Bedingungen und unterwegs auf die Welt brachte. „Maria durch ein Dornwald ging“ – für beide, Jesus und Maria, war der Weg gesäumt von Rosen für die Liebe und von Dornen für den Schmerz. So wie in der Lutherrose, dem Erkennungszeichen Martin Luthers, Herz und Kreuz in der Mitte stehen. Eine Liebe ohne Schmerz gibt es nicht. Diese Erfahrung macht jeder, der sich auf die Liebe einlässt. Wer liebt, der leidet auch mit dem anderen mit. Besonders stark ist das, wenn ein Kind leidet, so auch für Maria. Sie ahnte vielleicht an Weihnachten, dass ihr Sohn am Kreuz sterben würde. „Kyrie eleison!“, „Herr Gott erbarme, Dich“, singt sie flehend in diesem Lied. Der dann so wehrlos ist am Kreuz, soll mir helfen, mir sein Mitgefühl schenken. „Herr, erbarme dich!“
Weihnachten erzählt von der Geburt eines besonderen Kindes, das seine Mutter empfangen hat und später wieder hergeben muss. Es erzählt von der Rettung dieses Kindes, das wie das Mose-Baby ausgesetzt im Schilfkörbchen im Nil, mit seinen Eltern bei Nacht und Nebel vor dem Zorn des Herodes nach Ägypten flieht. Mose kann später im Auge des Sturms, im Palast des Pharao wie ein Königssohn aufwachsen und ist dadurch geschützt. Seine Mutter bietet sich als Amme an. Aber nach der Stillzeit wird sie den Hof verlassen. Jesus geht gestärkt durch Taufe und Wüstenwanderung seine Aufgabe an, den Menschen Gottes Liebe zu zeigen.
Mose sieht am Ende nicht das gelobte Land. Jesus stirbt am Kreuz, für uns. Das ist ein Gang durch den Dornwald, für beide. Maria sieht das und schweigt und bewegt die Worte der Hirten in ihrem Herzen. Am Anfang steht das gerettete Kind – auch unser eigenes, inneres Kind, das Rettung sucht. In der Krippe im Stall liegt diese Rettung, und lacht uns an!
An Weihnachten werden viele von uns selbst wieder zu einem Kind. In jedem von uns schlummert dieses kleine Kind, das staunen kann und das es liebt, in Vorfreude etwas zu erwarten. Wie können wir an Weihnachten wieder mit Kinderaugen sehen? Wir beschenken einander an Weihnachten. Das machen fast alle gern. Das wertvollste Geschenk liegt für mich aber als kleines, schreiendes Bündel in jener Futterkrippe im Stall in Bethlehem. „Jesus ist geboren!“, ruft der Engel den Hirten zu. Und die Kinder treten als Hirten an die Krippe und wollen ihn sehen. Jesus kommt damit in ihr und in unser Leben. Wir können ihm kindlich glauben, ihm vollkommen vertrauen.Das ist der Kern jedes Krippenspiels, dass wir uns mit den kindlichen Darstellern über den Rand der Krippe beugen und in die Augen von Jesus sehen.
Ich stehe vor der Krippe und beuge mich hinein. Dort liegt das Kind, im Arm seiner Mutter, von ihr unter Schmerzen geboren und durch den Dornwald getragen. Es liegt da und lacht mich an!
Maria durch ein Dornwald ging, Kyrie eleison.
Maria durch ein Dornwald ging, der hat in sieben Jahr kein Laub getragen.
Jesus und Maria.
Was trug Maria unter ihrem Herzen? Kyrie eleison.
Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen, das trug Maria unter ihrem Herzen. Je-
sus und Maria.
Da haben die Dornen Rosen getragen, Kyrie eleison.
Als das Kindlein durch den Wald getragen,
da haben die Dornen Rosen getragen. Jesus und Maria.
Pastor A. Pöhlmann
Bildnachweis: N. Schwarz © GemeindebriefDruckerei.de